Er ist da, der Kramperltag, der Tag, den Kinder bis Großeltern voll aufgeregter Vorfreude kaum erwarten können und der auswärts lebende Gasteiner wie ein Magnet ins Tal zurückzieht. Der Krampuslauf ist im Gasteinertal eine uralte, ursprünglich erhalten gebliebene Tradition, die die Augen von Jung und Alt gleichermaßen zum Strahlen bringt.
Wächst man in Gastein auf, kann man sich der Magie des Krampuslaufs nicht entziehen, und man bleibt wohl sein Leben lang infiziert. Wie gestern erscheint es mir, dass wir als Kinder in unserem traditionellen Familienbetrieb …beim Krauth, damals noch am Kirchenplatz in Bad Hofgastein, durch die Auslagenscheiben die vorbei ziehenden Krampuspassen beobachteten, immer bereit, im Ernstfall nach hinten in die Toilette zu flüchten. Denn so ganz hundertprozentig sicher waren wir uns nicht, immer brav gewesen zu sein. Und dass unsere damaligen Mitarbeiterinnen sichtlich auch nicht gerade tiefenentspannt waren und ihrerseits ständig einen großen Hohlraum unterhalb der Auslagen als mögliches Fluchtziel im Auge behielten, trug nicht gerade zur Beruhigung bei.
Wobei es letztendlich kein Entrinnen gab. Kam mal ein Krampus brüllend und mit der Rute drohend gefährlich nah zur Auslagenscheibe, und man fand sich vor lauter Schreck am Klo wieder, so schien eines klar. Das einzigartige Geräusch der Schellen war so nahe, der Krampus musste bereits vor der Toilettentür stehen, und das Schloss würde ihn sicher nicht aufhalten. Außerdem waren da noch Mama und Papa, die darauf bestanden, dass wir uns nicht versteckten und mit ihnen den Nikolaus und „Kerbitroger“ begrüßten. Schließlich hatten die sich extra für uns auf den weiten Weg ins Geschäft gemacht, um die Guten zu belohnen, und ja, das gehörte wohl auch dazu, die Bösen zu bestrafen.
Auch abends zu Hause besuchte uns die eine oder andere Pass. Schon lange vor ihrem Eintreffen hörte man die Schellen und das Brüllen der Krampusse. Sofort war es da, das aufgeregte, mulmige, später dann freudige Gefühl in der Magengegend, das bis heute geblieben ist. „Ok, sie kamen näher, und sie würden auch rein kommen, das hatten Mama und Papa schon angekündigt. Also höchste Zeit, sich mal zu überlegen, ob man eh immer brav gewesen war. Und natürlich nach außen hin keine Schwäche zeigen und stattdessen deutlich klar machen, was für ein großer, furchtloser Held man war.“
Das heldenhafte Auftreten änderte sich schlagartig mit dem Eintritt von Nikolaus und Korbträger. „Wie jedes Jahr in dieser stimmungsvollen Zeit, ist es auch heuer wieder mal so weit. Wenn am Kranz das erste Kerzerl brennt, dann ist Advent. Ich, ein alter, weiser Mann …. „, begann der Nikolaus mit seiner Rede, und wir hörten ihm mit großen Augen zu, etwas halbherzig vielleicht, denn draußen brüllten die wilden Begleiter des weisen Mannes und schlugen mit den Ruten gegen die Fensterscheiben, was zugegebenermaßen in Hinblick der einen oder anderen nicht so braven Tat im vergangenen Jahr durchaus beunruhigend war. Und dann kam auch noch das: „Claudia, was muss ich da lesen, du bist nicht immer brav gewesen, hast deinen Bruder Willi schon mal geärgert …“ „Oh je, wie konnte das sein, der Nikolaus wusste ja wirklich Bescheid, wie konnte das in seinem großen, goldenen Buch stehen? Ja, es tat mir eh leid, dass ich hin und wieder nicht so nett zu meinem großen Bruder war, doch jetzt war es wohl zu spät. Das Schicksal schien besiegelt. Vorbei war’s mit einem Geschenk vom Nikolaus, stattdessen …..“ Doch als alles verloren schien, kam die Rettung vom Nikolaus höchstpersönlich: „… der Wunsch ist klar, reiß dich ein bisschen zusammen im nächsten Jahr. Eines muss ich dich zum Schluss noch fragen, kannst du vielleicht ein Gedicht aufsagen?“ Ja genau, das war’s, ein Hoffnungsschimmer, dafür hatten wir ja selbiges gelernt. Vielleicht ließ sich der Nikolaus dadurch ja doch noch milde stimmen: „Guten Abend Nikolaus, ich möchte dir was sagen, dieses Jahr gab‘s mal einen Grund, über mich zu klagen. Trotzdem bitte ich dich höflich, stecke deine Rute ein, denn ich will im nächsten Jahr ganz bestimmt viel lieber sein.“
Und so gab es schließlich doch für jeden von uns ein prall gefülltes Sackerl vom Nikolaus mit vielen, leckeren Sachen, die wir mit leuchtenden Augen entgegen nahmen. Die wilden Gesellen durften uns danach trotzdem einen Besuch im Wohnzimmer abstatten und zu unvergesslichen, einzigartigen Kindheitserinnerungen beitragen.